Nach einigen technischen Problemen, aufgrund derer unsere Website für einige Zeit nicht erreichbar war, können wir nun endlich unsere abschließenden persönlichen Berichte verspätet hochladen. Also fange ich mal an.
Mein Freiwilligendienst in Kirgistan war bunt, chaotisch, prägend, anstrengend und schwer, aber auch totlustig, unfassbar mitreißend und wunderschön. Manchmal habe ich mich so geborgen gefühlt und wie eins mit den Menschen und diesem Ort, während es gleichzeitig eine Phase gab, in der ich mich nicht verzweifelter und noch mehr alleine hätte fühlen können. Es gibt einfach nicht genügend passende Worte, die ich jetzt und hier schreiben könnte, um die neun Monate, die ich in Kirgistan erlebt habe und den Einfluss, den diese auf mich hatten, für mich angemessen zusammenzufassen und zu beschreiben. Doch ich werde mit diesem letzten Blogeintrag mein Bestes versuchen.
Unfassbar, dass ich vor einem Jahr noch keinerlei Verbindung zu diesem Land namens Kirgistan hatte. Ehrlich gesagt, wusste ich so gut wie nichts darüber und hatte mir auch noch nie wirkliche Gedanken dazu gemacht. Genauso erging es auch den meisten Leuten hier in Deutschland, denen ich von meinem Auslandsjahr erzählt hatte. Fragen wie „Was verschlägt dich denn ausgerechnet da hin??“, gleich gefolgt von „Das ist doch bestimmt viel zu gefährlich für dich als Mädchen, oder?“ musste ich standardmäßig fast immer als Erstes beantworten. Um ehrlich zu sein, schlug mir vor Antritt meines Freiwilligendienstes eine mehrheitlich eher negative Welle an Feedback entgegen, welche meist mit Misstrauen, Zweifel und sehr vereinzelt auch mit purer Ablehnung gespickt war. Ich möchte hiermit auch niemandem einen Vorwurf machen, da die meisten Bedenken bestimmt nur aus Sorge um mich oder anderen, nachvollziehbaren Gründen entstanden sind. Niemand ist vorurteilsfrei, ich natürlich auch nicht.
Und all diese kleinen, seltsamen Erwartungen und Gedanken, die einem durch den Kopf schwirren, sind dann im Endeffekt gar nichts im Vergleich zum richtigen, echten Leben, welches für mich dann in Kara-Balta, Kirgistan, neu startete.
Und das war wirklich wie ein Sprung ins absolute Eisbad mit gleichzeitiger kalter Dusche, die erstmal schön jegliche vorherige Planung oder Vorstellung gründlich weggespült hat. Zurück blieb nur das hier und jetzt, was am Anfang die meiste Zeit absolute Reizüberflutung und meistens auch Überforderung meinte. Da wir in Kara Balta die ersten Langzeitfreiwilligen waren, hatten wir wirklich keine Ahnung von nichts.
Vor allem hat mir in den ersten Monaten die Gastfreundschaft, Herzlichkeit und Unterstützung meiner kirgisischen Freund*innen so unfassbar geholfen, mich immer mehr heimisch zu fühlen. Ich bin unfassbar dankbar für all die Menschen, die ich während meines Auslandsjahres kennengelernt habe und die mich über die neun Monate hinweg begleitet haben. Ich habe in Kirgistan Freund*innen fürs Leben gefunden und einen Einblick in die kirgisische Kultur und Lebensweise gewonnen, die mir zunächst so fremd und schließlich so vertraut war.
Schon allein das zeigt mir nun, wie richtig meine Entscheidung war, diesen Freiwilligendienst zu machen. Mir ist bewusst, dass es viel, auch berechtigte Kritik zum Prinzip von Freiwilligendiensten gibt. Ein Haufen verwöhnter, deutscher Kids, die sich ne schöne Zeit in einem Entwicklungsland machen und sich dort, obwohl sie komplett unqualifiziert sind, als die großen Retter aufspielen, oder sich vielleicht auch einfach nur ein bisschen den Lebenslauf aufbessern wollen. Es gibt viele Pros und Kons zu diesem wirklich komplexen Thema.
Doch meiner Meinung nach ist es auch unfassbar wichtig, dass unerfahrene, junge Menschen aus Deutschland, oder allgemein Europa, mal einen Blick über ihren eigenen Tellerrand werfen und sich nicht immer nur bis zu ihrem Lebensende mit sich selbst und ihrer eigenen Bubble beschäftigen. Es gibt so viele Länder auf der Welt mit eigenen unfassbar spannenden Kulturen und Traditionen. Freiwilligendienste helfen dabei, Verbindungen zu knüpfen, Wissen und Erfahrungen verschiedener Kulturen auszutauschen und Freundschaften zwischen jungen Leuten über Ländergrenzen hinweg zu schließen.
Auch bei den intensiven Seminaren, die ich von VIA aus mitmachen durfte, habe ich viel Neues gelernt. Insgesamt hat der Freiwilligendienst mich und mein Denken in einiger Hinsicht verändert.
Für mich war er eine Chance, für die ich unfassbar dankbar bin.
Tja, und was kam dann? Echt ein komisches Gefühl nach neun Monaten wieder zurück nach Deutschland zu kommen. Es ist fast so, als wäre die Zeit zurückgedreht worden, da sich hier so gut wie nichts verändert hat. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass hier doch irgendwas Großes anders sein muss. Fühle ich mich doch selbst auf eine Weise verändert. Kirgistan war mein neues „Normal“ geworden. Und dann komme ich nach Hause und dort ist alles vertraut, aber doch neu und ungewohnt.
Die ersten Tage wieder in Schaumburg waren sehr seltsam für mich. Irgendwas zwischen Vermissen meiner Heimat in Kirgistan, Freude wieder bei Freund*innen und Familie zu sein und absolutem Chaos im Supermarkt, da ich erstmal meiner Festplatte einprügeln musste, dass ich jetzt wieder überall Deutsch reden muss und nicht Russisch.
Aber irgendwann läuft dann ja doch wieder alles in der altvertrauten Bahn und nach Abschluss des Rückkehrseminars bin ich jetzt wieder vollkommen angekommen.
Weiter geht`s für mich zunächst mit Arbeit und dann einem Studium im Ausland. Ich habe keine Ahnung, wo es mich in den nächsten Jahren hin verschlagen wird, doch eins ist ganz sicher. Meine Erinnerungen von Kirgistan bleiben mir und ich werde versuchen, so bald wie möglich wieder zu Besuch nach Kirgistan zu fliegen.
Und vielleicht werde ich dann endlich wieder meine Tanzmädels sehen, mit meinen Freund*innen eine Runde Volleyball spielen, abends durch den Park flanieren oder den kirgisischen Sonnenuntergang aus dem Küchenfenster beobachten, einen kleinen Schnack mit dem netten Brotverkäufer auf dem Bazar haben, die Kinder aus der Schule wieder fest knuddeln oder einen der unvergesslichen Tanzabende mit kirgisischer Musik wiedererleben. All das und noch vieles mehr. Ich kann es jetzt schon kaum erwarten.