Drei Monate gab es nun schon Funkstille. Gründe dafür gibt es wohl einige, es läuft nicht immer alles, wie man denkt und es können immer Dinge passieren, die einen komplett aus der gewohnten, geraden Bahn herauswerfen. Schwere Zeiten gehören wohl dazu. Ich möchte hier auch nicht weiter ins Detail gehen, sondern lieber dem Sommer und unseren letzten gemeinsamen drei Monaten in diesem wunderschönen Land entgegenblicken.
Unfassbar, dass jetzt schon sechs Monate vorbei sind! Inzwischen empfinde ich eine Art Heimatsgefühl, wenn ich an mein momentanes Zuhause Kara-Balta denke. Man kennt die Leute, wenn man auf dem Bazar unterwegs ist und auch das oft chaotische, aber auch kunterbunte Leben in dieser kleinen Stadt ist inzwischen zum Alltagstrott geworden.
Und meine Verbundenheit zu diesem Ort und seinen Menschen wächst Tag für Tag. Ich habe hier viele gute Freunde gefunden und oft unternehmen wir gemeinsam Ausflüge oder verbringen einfach nur Zeit zusammen und spielen zum Beispiel Volleyball im Park.
Von Anfang an hatte ich so ein starkes Gefühl, willkommen zu sein und in der letzten Zeit lerne ich immer mehr zu schätzen, wie herzlich uns die Menschen hier aufgenommen haben. Auch als ich die einheimischen Sprachen überhaupt noch nicht beherrscht habe und man mit vielen Leuten nicht mehr als ein offenes Lächeln austauschen konnte, war ich sofort in den innersten Kreis aufgenommen und stets mit eingeladen. Dies ist auch ein riesiger Unterschied zu Deutschland, war ich doch in meiner Schulzeit oft von viel falscher Freundlichkeit und Höflichkeit umgeben. So habe ich jedenfalls oft die Dynamik unter den Schüler*innen meiner Schule in Deutschland empfunden. Man muss sich auf eine ganz bestimmte Art Verhalten, um von der Allgemeinheit akzeptiert und in Gruppen aufgenommen zu werden. Während hier jeder der dabei sein möchte immer herzlich willkommen ist, ohne erst abschätzende Blicke zu bekommen oder bestimmte „Vorraussetzungen“ erfüllen zu müssen.
Außerdem funktioniert jetzt die Kommunikation schon so viel besser. Inzwischen kann ich mich gut verständigen und auch längere, etwas kompliziertere Gespräche auf Russisch führen. Es hat für mich schon circa drei Monate gedauert bis ich die Hemmschwelle überschritten hatte, einfach so drauflos zu reden, ohne mir zu viele Gedanken darüber zu machen, inwiefern ich gerade alles falsch ausgedrückt habe.
Jeden einzelnen Tag habe ich mit dieser Sprachbarriere zu tun und nur durch diese ständige Konfrontation habe ich langsam dazugelernt. Dieser Prozess ist ganz sicher nicht einfach und er fühlte sich für mich oft sehr langwierig und anstrengend an. Zwischenzeitlich war ich nur noch frustriert, weil ich das Gefühl hatte, dass ich zu langsam dazu lerne und vor allem an Gruppengesprächen überhaupt gar nicht teilhaben kann.
Momentan wird mir erst richtig bewusst, wie wichtig es ist, einen Freiwilligendienst für mindestens sechs Monate zu machen. Denn erst nach mehreren Monaten fühle ich mich nun tatsächlich so, als wäre ich vollkommen angekommen.
Dazu hat auch beigetragen, dass ich das Glück hatte, von Anfang an in Kara-Balta nebenbei ein Hobby betreiben zu können. Für mehrere Monate habe ich Taekwondo gemacht, was ich schließlich leider vor circa zwei Monaten aufhören musste, da sich mir die Möglichkeit erboten hatte, Teil einer kirgisischen Tanzgruppe zu werden. Und da mich der traditionelle kirgisische Tanz schon von Anfang an fasziniert hat, habe ich mich also im Endeffekt dafür entschieden und lerne nun schon seit einiger Zeit mit anderen Mädchen zusammen das Tanzen. Oder wohl eher gesagt, die meisten anderen Mädels können es schon unfassbar gut und ich versuche ihnen irgendwie die absolute Eleganz bis in die Fingerspitzen abzuschauen. Aber das wird schon und hauptsächlich macht es mir einfach tierisch viel Spaß.
Insgesamt waren meine ersten sechs Monate eine Zeit, mit vielen Höhen und Tiefen. Viele Hürden standen in meinem Weg, manche waren zu erwarten, andere überhaupt nicht. Aber vor allem ist einfach unfassbar viel passiert und ich merke, wie ich durch die kleinen Schwierigkeiten, die es fast jeden Tag zu überwinden gilt, schon total viel dazugelernt habe und wie ich mich im Laufe der Zeit verändert habe.
Ich bin inzwischen schon so weit gekommen und ich bin davon überzeugt, dass der Sommer hier in Kirgistan der Hammer wird!





